Segelflugwettbewerb in Brandenburg: Formel 1 der Luft – aber ohne Motor?

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Am langen Himmelfahrts Wochenende fand am Fliegerklub Brandenburg e.V. in Brandenburg an der Havel der jährliche Vereinscup statt, ein kleiner, gemeinschaftlicher Wettbewerb für alle interessierten Segelflugpiloten. 

Aber wie läuft so ein Wettrennen in der Luft ab und wie schaffen es Segelflugpiloten überhaupt, hunderte bis tausende Kilometer ohne Motor zu fliegen? 

Start ohne eigenen Motor

Zum Starten werden Segelflugzeuge entweder per Kabelverbindung zu einem Motorflugzeug hochgezogen (sog. F-Schlepp) oder mit einer Seilwinde hochgeschleppt. Im F-Schlepp ist höchste Koordination zwischen den Piloten der unterschiedlichen Flugzeuge gefragt, während der Windenstart bei einer Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in 2 Sekunden scharfe Reaktionszeiten erfordert.

Links: F-Schlepp, Rechts: Windenstart

Steigende Luft als Antrieb

Wie geht’s nun ohne eigenen Motor weiter? Das Stichwort: Thermik. Die Sonne wärmt den Boden auf, welcher in Folge die bodennahe Luft erwärmt. Diese warme Luft steigt, oft mit Werten über 5 m/s, da sie weniger dicht ist als kalte Luft. Diese steigende Luft nennt sich Thermik – man kann sie sich wie vertikalen Wind vorstellen. 

Segelflugpiloten wissen, wie man diese Thermik findet und fliegen in sie rein. Dort kreisen sie, während die Thermik sie hoch drückt, bis genug Höhe erreicht ist, um bis zur nächsten Thermik zu gleiten – Moderne Segelflugzeuge kommen im Gleitflug von einem Kilometer Höhe über 60 Kilometer weit. Dieser Vorgang wiederholt sich und so können über mehrere Stunden tausende Kilometer, mit Höchstgeschwindigkeiten über 200 km/h, beflogen werden – ganz ohne Motor. 

Links: Sicht vom Cockpit, Rechts: Segelflugzeug beim Startcheck

Prinzip des Thermikflug

Der Segelflugwettbewerb

Bei einem Segelflugwettbewerb geht es immer darum, eine vorgegebene Strecke in möglichst kurzer Zeit zu fliegen. Der Kurs über verschiedene Wendepunkte wird morgens wetterabhängig von der Wettbewerbsleitung vorgegeben. Nachdem alle Teilnehmer mit Winde oder Schleppflugzeug an den Himmel geschleppt wurden, wird der Abflug freigegeben und somit das Rennen eröffnet. Durch geschickte Wahl von Flugweg und Thermik, die zumeist unter Wolken zu finden sind, wird versucht, möglichst schnell voranzukommen. Die Strecken betragen 100 bis 500 km und die Piloten sind dann 2 bis 6 Stunden unterwegs. 

Wie kann man solche Luftrennen kontrollieren und auswerten? Früher stand die Wettbewerbsleitung mit Ferngläsern am Boden und die weit entfernten Wendepunkte wurden von den Piloten mit Fotos dokumentiert. Mittlerweile verfügt aber jedes Flugzeug im Wettbewerb über einen GPS Logger, der Höhe und Position während des gesamten Fluges dokumentiert. Diese Daten werden nach der Landung ausgelesen und mit einer speziellen Software ausgewertet, die ebenso die Punktewertung erstellt.

Das weltweit standardisierte Regelwerk ist komplex, doch jeder Pilot weiß: Wer am schnellsten war, bekommt am Abend auch die meisten Punkte, die sich dann über die vorgesehenen Wertungstage zum Gesamtergebnis addieren. Handicapfaktoren sorgen bei der Punktwertung dafür, dass Unterschiede in den Flugleistungen ausgeglichen werden können.

Vereinscup: Ablauf und Ergebnisse

Das Wetter erlaubte für zwei Wertungstage mit Aufgaben um die 250 km in Länge. Am ersten Tag ging es für die Piloten nach Norden, von Brandenburg an der Havel nach Perleberg, dann über Rheinsberg nach Oranienburg und zurück. Pilot Maximilian Gotthardt flog als schnellster die Strecke in knapp unter 3 Stunden. Für die zweite Aufgabe ging es in einem Dreieck östlich nach Magdeburg und Seehausen. Pilotin Olena Yakymchuk gewann mit dem einzigen Flug unter 2 Stunden. 

Es wurde in zwei Klassen geflogen: Clubklasseflugzeuge, welche auf 15 Metern Spannweite begrenzt sind, und moderne Typen und Doppelsitzer unter der gemischten Klasse. 

Die Podiumsplätze sind wie Folgt:

ClubklasseGemischte Klasse
1. Olena Yakymchuk1. Heintz & Neugenbauer
2. Marian Graf2.    Rolf Engelhardt
3. Hannas Komoll3.    Lothar Dittmer

Olena Yakymchuk sammelte die meisten Punkte und teilte uns ihre Eindrücke mit: 

“Ich nehme gerne an Wettbewerben teil, da ich sie als eine hervorragende Gelegenheit betrachte, mich fliegerisch weiterzuentwickeln. Man kann nicht nur den Flugstil und die Entscheidungen der anderen beobachten, sondern auch die eigenen Fehler bewusster wahrnehmen und daraus schneller lernen. Der Vereinscup wurde in lockerer Atmosphäre gut organisiert und der Standort am Heimatflugplatz hat ebenfalls dazu beigetragen. Ich fand es besonders interessant, dass wir gemeinsam die Wettervorhersage analysierten und wie nach dem Flug uns die gesamten Statistiken und interaktiven Streckenverläufe gezeigt wurden.  Es hat mich auch sehr gefreut, neue Leute kennenzulernen – das ist immer ein zusätzlicher Bonus bei jedem Wettbewerb. Ich würde unseren Vereinscup besonders jenen empfehlen, die ihre ersten Schritte im Streckenfliegen bereits gemacht haben und sich weiterentwickeln möchten.”

Am Fliegerklub Brandenburg e.V. geht bis zum Winter die Flugsaison weiter. In den kalten Monaten werden anschließend die Flugzeuge und die Flugplatz-Infrastruktur gewartet und auf die nächste Saison vorbereitet. Aktuell laufen auch Vorbereitungen für die Deutsche Meisterschaft im Segelflug, welche zwischen dem 12.08. und 23.08.2023 am Flugplatz des Vereins in Brandenburg/ Mühlenfeld stattfindet. 

Wettbewerbsvorbereitung

Rechts: Pilot Rolf Engelhardt, Links: Rolf Engelhardt und Olena Yakymchuk nach dem Wettbewerb

Interesse am Mitfliegen oder Segelflugpilot werden? Bereits ab 14 kann es mit dem Segelflug losgehen! Informationen zur Ausbildung und Gastflügen finden Sie unter www.fliegerklub-brandenburg.de

Beitrag von Olena Yakymchuk, Lothar Dittmer und Lysandre Mueller